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Anwaltskanzlei Ochsmann, Conny Ochsmann, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht Insolvenzanfechtung

Die Insolvenzanfechtung hat das Ziel der Massemehrung. Durch sie soll die Insolvenzmasse in den Zustand versetzt werden, welcher ohne die anfechtbare Rechtshandlung bestanden hätte. Sie dient im Ergebnis der Verwirklichung der Zielsetzung der Insolvenzordnung, der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger. Privilegien einzelner Gläubiger/-gruppen wurden mit der Insolvenzrechtsreform 1999 abgeschafft. Die Insolvenzanfechtung ist in den §§ 129 ff. InsO (Insolvenzordnung) geregelt.

Der Gesetzgeber versuchte eine Gläubigerprivilegierung der Sozialversicherungskassen durch eine Änderung des § 28 e SGB IV wieder einzuführen. Die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrages gilt als aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht (vgl. § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO). Die Gesetzesänderung konterkariert damit die Zielsetzung der Insolvenzordnung und auch die gefestigte Rechtsprechung des BGH (vgl. zusammenfassende Darstellung: Urteil vom 08.12.2005 - IX ZR 182/01). Das Vorhaben des Gesetzgebers scheiterte an der Rechtsprechung des BGH!

Der Anfechtungsanspruch ist ein schuldrechtlicher und entsteht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Inhaber des Anspruches ist der Insolvenzverwalter. Gegenstück der Insolvenzanfechtung ist die Gläubigeranfechtung nach dem AnfG (Anfechtungsgesetz).
Inhaltlich ist der Anspruch auf Rückgewähr des vom Schuldner weggegebenen Vermögensgegenstands gerichtet. Die Anfechtung muss nicht ausdrücklich erklärt werden, ausreichend ist die Geltendmachung der Rückgewähr. Erforderlich ist jedoch grundsätzlich die klageweise Durchsetzung, möglich ist aber die außergerichtliche Erfüllung/Abgeltung o. ä.. Der auf Zahlung gerichtete Rückgewähranspruch ist ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Höhe der Prozesszinsen zu verzinsen (vgl. BGH, Urteil vom 01.02.2007 – IX ZR 96/04), das sind regelmäßig 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

Update!

Die Reform des Rechtes der Insolvenzanfechtung hat das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Im Deutschen Bundestag erfolgte am 16.02.2017 die zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfes. Die Beschlussempfehlung auf  Drucksache18/111199 wurde angenommen. Es steht die Ausfertigung und Verkündung des Gesetzes aus.

Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und dem Anfechtungsgesetz erfahren die bisherigen Regelungen weitreichende Änderungen. Insbesondere der Anwendungsbereich der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. InsO wird durch Verschärfung der Anfechtungsvoraussetzungen und Verkürzung des Anfechtungszeitraum auf nunmehr 4 Jahre deutlich eingeschränkt. Ebenso wird der Rechtsbegriff des Bargeschäftes legaldefiniert.

Das Gesetz zur Reform der Insolvenzanfechtung wurde am 29.03.2017 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I 2017, 654 f.) verkündet.

Die Änderung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft und findet im Wesentlichen auf alle ab diesem Zeitpunkt eröffneten Insolvenzverfahren Anwendung. Eine Ausnahme bildet die Verzinsungspflicht des Rückgewähranspruches. Die Änderung soll auch auf alle noch nicht erledigten Ansprüche anzuwenden sein.

Die Anspruchsvoraussetzungen der Insolvenzanfechtung können in Allgemeine und Besondere unterteilt werden.

Im Allgemeinen erfordert jede Anfechtung eine objektive Gläubigerbenachteiligung, d. h. die Befriedigungsaussichten der Gläubiger hätten sich ohne die angefochtene Rechtshandlung besser darstellen müssen, also die Befriedigung der Insolvenzgläubiger verkürzt, vereitelt, erschwert, gefährdet oder verzögert wird, die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die fragliche Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätte. Dies ist nur dann gegeben, wenn die aufgegebene Rechtsposition aus dem freien und pfändbaren Vermögen des Schuldners geleistet wurde. Zahlungen beispielsweise, welche der Schuldner aus dem unpfändbaren Vermögen leistet, führen nicht zu einer objektiven Gläubigerbenachteiligung, weil die übrigen Gläubiger sich hieraus nicht hätten befriedigen können (vgl. BGH, Urteil v. 27.05.2003 – IX ZR 169/02). Eine Gläubigerbenachteiligung kann fehlen, wenn mit dem weggegebenen Geldbetrag gerade diejenigen Gläubiger befriedigt wurden, die auch der Verwalter in gleicher Weise hätte befriedigen müssen (vgl. BGH, Urteil v. 19.07.2001 – IX ZR 36/99). Ausgeschlossen ist die Anfechtung, soweit sich die Rechtshandlungen auf nicht der Pfändung unterliegende Vermögenspositionen bezieht.
Die besonderen Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung sind sodann in den §§ 130 – 135 InsO (Anfechtung kongruenter und inkongruenter Rechtshandlungen [Deckungsanfechtung], unentgeltlicher Leistungen, Verträge mit nahestehenden Personen sowie die Vorsatzanfechtung) geregelt. Die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen differenzieren je nach Art der Rechtshandlung und der zeitlichen Entfernung zum Eingang des Insolvenzantrages beim Insolvenzgericht.

Die Anfechtungszeiträume betragen von einem Monat über drei Monaten, 2 Jahren, 4 Jahren, bis zu 10 Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Die Fristen berechnen sich nach dem Datum des Einganges des Insolvenzantrages beim Insolvenzgericht. Berücksichtigt werden grundsätzlich nur die Anträge, welche auch zur Eröffnung des Verfahrens führten. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn ein Antrag mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgewiesen wurde und eine einheitliche Insolvenz vorliegt (vgl. BGH, Urteil v. 15.11.2007- IX ZR 212/06). Dann ist dieser Antrag für die Berechnung maßgebend.

Wesentlich für die Anfechtung ist die Zahlungsunfähigkeit oder drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Zahlungsunfähig ist, wer nicht in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Die Zahlungseinstellung ist ein nach Außen hervortretendes Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er wegen eines voraussichtlich dauernden Mangels an Zahlungsmitteln seine fälligen und ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann (vgl. BGH, Urteil v. 25.01.2001 – IX ZR 6/00, v. 09.01.2003 – IX ZR 175/05, v. 17.02.2004 – IX ZR 318/01). Regelmäßig ist eine Forderung also dann im Sinne von § 17 Abs. 2 InsO fällig, wenn eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt. Dies ist grundsätzlich schon bei Übersendung einer Rechnung zu bejahen (BGH, Beschluss v. 19.07.2007 - IX ZB 36/07). Bei einer Unterdeckung (Liquiditätslücke) von 10 % und mehr, kann regelmäßig von einer Zahlungsunfähigkeit ausgegangen werden (vgl. BGH, Urteil v. 24.05.2005 – IX ZR 123/04). Weitere Beweisanzeichen sind daneben möglich.

Kongruente und inkongruente Rechtshandlungen lassen sich grundsätzlich dadurch unterscheiden, ob der Gläubiger einen Anspruch gerade auf die vom Schuldner erfolgte Leistung hatte. Kann dies bejaht werden, liegt eine kongruente, bei Verneinung eine inkongruente Rechtshandlung vor. Eine Ausnahme hiervon gilt bei Leistungen im Zwangsvollstreckungsverfahren. Im Zeitraum bis 3 Monate vor dem Insolvenzantrag stellen die Leistungen inkongruente und im Zeitraum davor kongruente Leistungen dar (vgl. BGH, Urteil v. 27.05.2003 – IX ZR 169/02). Befriedigungen infolge eines angedrohten oder gestellten Insolvenzantrages - sog. Druckzahlungen - sind stets inkongruent (vgl. BGH, Urteil v. 18.12.2003 – IX ZR 199/02).

Eine unentgeltliche Leistung liegt vor, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Gegenleistung gegenübersteht, dem Verfügenden also keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zu fließen soll.

Die Vorsatzanfechtung erstreckt sich auf Rechtshandlungen des Schuldners bis zu 10 Jahre vor dem Insolvenzantrag. Eine solche liegt vor, wenn der Schuldner im dem Vorsatz handelte, seine übrigen Gläubiger zu benachteiligen; dem Schuldner muss es auf die Bevorzugung des einen oder die Benachteiligung der anderen Gläubiger ankommen. Zudem muss der Anfechtungsgegner vom Vorsatz des Schuldners positive Kenntnis haben. Im Gegensatz zur Deckungsanfechtung setzt die Anfechtung einer mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommenen Rechtshandlung des Schuldners nicht die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung voraus, dass ernsthafte Risiko bevorstehender Zahlungsstörungen ist ausreichend. Zahlt der Schuldner in der Kenntnis, nicht sämtliche Gläubiger befriedigen zu können, liegt eine Bevorzugung des jeweiligen Gläubigers und damit der Vorsatz des Schuldners vor. Bei Vorliegen einer inkongruenten Rechtshandlung des Schuldners liegt ein wesentliches Beweisanzeichen für den Vorsatz des Schuldners vor.

Mit dem am 30.03.2017 in Kraft getretenen Gesetz zur Reform der Insolvenzanfechtung wurde der Anfechtungszeitraum des § 133 InsO für kongruente und inkongruente Deckungen oder Sicherungen bzw. Ermöglichungshandlungen von 10 Jahren auf 4 Jahre verkürzt. Für eine erfolgreiche Anfechtung des Insolvenzverwalters ist bei kongruenten Deckungshandlungen nicht mehr die drohende, sondern die eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners Anfechtungsvoraussetzung. Ferner wird durch den neuen § 133 Abs. 2 InsO vermutet, dass bei Abschluss einer Zahlungsvereinbarung oder -erleichterung die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht bestand.

Liegen die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung vor, ist das, was aus dem Vermögen des Schuldners weggegeben, aufgegeben oder veräußert worden ist, zur Insolvenzmasse zurückzugewähren, § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO. Entscheidend ist nicht, was der Anfechtungsgegner tatsächlich erhalten hat. Dies kann am Beispiel des Zahlungseinzuges unter Vermittlung des Gerichtsvollziehers verdeutlicht werden. Der Schuldner zahlt regelmäßig die Hauptforderung zuzüglich Zinsen, Kosten und der Kosten der Zwangsvollstreckung. Vom Gerichtsvollzieher wird an den Gläubiger jedoch der Betrag unter Abzug der Gerichtsvollzieherkosten weitergeleitet. Die Anfechtung erfolgt in Höhe des vom Schuldner geleisteten Betrages und ggf. nicht nur in Höhe des Betrages, den der Gläubiger erhalten hat.

Bislang waren Zahlungsansprüche aus Insolvenzanfechtung seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu verzinsen. Mit der Neuregelung tritt die Zinspflicht erst ab Verzug ein. Die gilt nicht nur für die seit dem 30.03.2017 eröffneten Verfahren, sondern auch auf alle noch offenen Anfechtungen aus den vor dem 30.03.2017 eröffneten Insolvenzverfahren.

Wegen der Anfechtung der Zahlungen an Sozialversicherungskassen wurde der § 28 e SGB IV geändert. Zahlungen auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge sollten in Höhe der Arbeitnehmeranteile als nicht aus dem Vermögen des Schuldners geleistet gelten. Bei Zahlungen ohne Tilgungsbestimmung sollte sich der Anspruch regelmäßig auf die Hälfte des Nennbetrages reduzieren. Bei Zahlungen mit Schuldtilgungsbestimmung - zum Beispiel wegen der Strafandrohung des § 266 a StGB - könnte der Rückgewähranspruch in voller Höhe ausgeschlossen sein. Eine Entscheidung zum § 28 e SGB IV (Rückwirkung) hat der BGH in seinem Urteil vom 28.02.2008 - IX ZR 213/06 - zunächst offengelassen und diese im Beschluss vom 27.03.2008 - IX ZR 210/07 - für Insolvenzverfahren, welche vor dem 01.01.2008 eröffnet wurden, ausgeschlossen. Nunmehr wurde mit Urteil des BGH vom 05.11.2009 - IX ZR 233/08 - geklärt, dass die Einführung von § 28 e SGB IV die Anfechtung von Zahlungen auf Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung nicht berührt.

Die Insolvenzanfechtung kommt auch im Dreiecksverhältnis, d.h. der Einschaltung einer dritten Person zur Anwendung. Hier kommt gegebenenfalls die Anfechtung gegenüber dem Leistungsempfänger als auch gegenüber der Mittelsperson in Betracht, welche dann gesamtschuldnerisch haften (vgl. BGH, Urteil v. 29.11.2007 - IX ZR 121/06).

Gleiches gilt für die Unzulässigkeit der Aufrechnung.

Die Kenntnis der umfassenden obergerichtlichen Rechtsprechung, insbesondere des Bundesgerichtshofes ist auf dem Spezialgebiet der Insolvenzanfechtung unverzichtbar. Nach dem der Bundesgerichtshof in den Jahren von 2003 bis 2005 zugunsten der Insolvenzmasse insbesondere im Bereich der Vorsatzanfechtung (Anfechtungszeitraum 10 Jahre!) deutlich erleichterte, sind seit 2006 Einschränkungen zu Lasten der Insolvenzverwalter, insbesondere bei der Darlegungs- und Beweislast zu verzeichnen.

Die Ausnutzung der rechtlichen Möglichkeiten zur Vermeidung der Insolvenzanfechtung bzw. bei der Abwehr erhobener Ansprüche hat enorme wirtschaftliche Bedeutung.

Eine umfassende Prüfung im Einzelfall ist unverzichtbar.

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